Der offene Bücherschrank als Projekt und Ort

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Den offenen Bücherschrank nutze ich oft, um dort alte Bücher abzugeben.

Eigentlich sind es zwei Bücherschränke in der Nähe. Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass man den eigenen Büchern damit ein zweites Leben schenken kann – und anderen die Möglichkeit, interessante Bücher zu lesen, die sie sich vielleicht selbst nicht leistet könnten. Für mich haben Bücherschränke deshalb eine soziale Dimension, denn sie sind soziale Projekte und Begegnungsorte mit Mensch und Literatur.

Mich von Büchern zu trennen, fiel mir schon immer schwer. In meiner ersten Wohnung lagerte ich kistenweise in meinem Kellerraum ab. Beim Umzug entschied ich schließlich: Sie müssen fort.

Hätte ich niemals ein Buch abgegeben, hätte ich inzwischen, was ich mir immer erträumt habe: Eine eigene Bibliothek, mit vor Büchern überquellenden Regalen. Natürlich wären viele zweifelhafter Qualität darunter. Viele Romane, die ich mir schon als Schüler als preisreduzierte Mängelexemplare nach Hause schleppte. Doch es wären auch sehr viele interessante Titel darunter, heute manchmal gar wahre Schätze – genau das hat mich oft dazu bewogen, auch Fachliteratur aus dem Studium oder verschwenderische Gesamtausgaben zu verkaufen, zu teils enormen Preisen (die dreibändige Sammlung aller Gedichte von Theodor Fontane der Großen Brandenburger Ausgabe beispielsweise, deren Verkauf mir damals viel einbrachte, mich aber heute noch zur Verzweiflung treibt).

Und doch weinte und weine ich jedem einzelnen Buch noch heute hinterher. Einige habe ich inzwischen sogar antiquarisch wieder angeschafft.

Bücher sind für mich Liebe, eben gerade dann, wenn sie gedruckt sind. Diese Liebe empfinde ich eBooks gegenüber nicht, auch wenn ich sie sowohl kaufe als auch lese.

An den Bücherschränken habe ich einige Male bemerkt, wie sich Menschen auf die Titel stürzten, die ich dort abgelegt habe. Wenigstens das war jedes Mal ein gutes Gefühl. Da ist Interesse, Wertschätzung, sowohl an Thema, als auch an dem Buch als Medium.

Wenn ich sehe, wie sehr die Bücher dort Freude verbreiten, freut mich das besonders. Und so wandern immer wieder Bücher dorthin.

Aber nicht nur die: Ich gebe auch Magazine dort ab, denn auch für sie habe ich eine Schwäche. Thematisch ist es breit, die Magazine sind teils aufwendig und so teuer wie gängige Taschenbücher. Was ich an Text und Gestaltung, Könnerschaft und Herzblut darin sehe, ist beachtlich – sie stehen Büchern meist in nichts nach. Deshalb sollten sie auch so behandelt werden. Vielleicht werden derlei Magazine eines Tages auch als Buch angesehen, verdient haben es viele Publikationen.

Einige von ihnen sammle ich und behalte sie entsprechend. Aber viele auch nicht. Es ist ein breites Spektrum, und ich habe die Hoffnung, dass es Menschen inspiriert, dass sie Titel kennenerlernen, die sie vorher nicht kannten. So ist der Bücherschrank eine stimmlose Empfehlungsplattform.

Auch alte Filme, vorwiegend auf DVD, landen dort und haben den gleichen Effekt.

Jedes Mal also, wenn ich mich schweren Herzens auf den Weg mache, um dort etwas abzugeben, kann ich mir sicher sein, dass es nutzbringend ist. 

Ja, das macht glücklich.

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