An manchen Tagen gehen Legenden von uns. Legenden deshalb, weil sie für etwas stehen. Legenden aber auch, weil sie so lange unter uns waren. Durch die Vielzahl der Jahre sind sie ganze Menschenalter einfach da. Tauchen immer wieder auf, gealtert, gereift, aber sicher anwesend.
Leonard Nimoy alias Mr. Spock war so eine Legende. Er stellte in der TV-Serie Star Trek (auf Deutsch Raumschiff Enterprise) und 8 Kinofilmen den Vulkanier dar, der mit seinem Hang zur Logik, seiner hochgezogenen Augenbraue sowie dem legendären „Faszinierend“ Generationen begleitete. Mit 83 Jahren ist er nun verstorben – beinahe 50 Jahre davon war er eine der bekanntestes Rollen der TV-Geschichte und gleichzeitig eine kulturelle Ikone; das muss man anerkennen.
Fast 50 Jahre, das ist mehr, als die meisten derer an Lebensalter aufbringen, die nun am meisten um ihn trauern. Diese Jahre machten ihn zu einem Anker. Als er als Mr. Spock im Star-Trek-Reboot 2009 nach fast 20 Jahren in seiner bekanntesten Rolle wieder in einem Kinofilm auftauchte, stand die Fan-Welt Kopf. Er, der alte, große Geist einer Serie, die weit mehr wurde und mehr ist als reine Fernseh- und Kinounterhaltung, war noch da, gab sich die Ehre, kehrte zurück – und adelte damit den Neubeginn. Ohne ihn wäre er weniger gültig, weniger wert gewesen.
Fragt man, wer Mr. Spock nicht kennt, noch nie sah, noch nie gehört hat, dürfte es niemand geben, der ahnungslos ist. Wer ihn nicht kennt, gibt mehr Aufschluss über sich.
Natürlich musste es eines Tages sein. Dass er Bordarzt Dr. „Pille“ McCoy und Ingenieur James „Scotty“ Doohan irgendwann folgen muss, war immer klar.
Doch sterben Legenden, sagt dies uns auch: Jedem Zauber wohnt das Ende inne. Und damit auch in uns selbst. In Momenten wie diesen spüren wir es, wissen wir es. Diese Erkenntnis kommt mit der Todes-Nachricht huckepack. Legenden sind mehr als Erinnerungen. Sie sind Träger eigener Werte. Sie repräsentieren immer Teile eines jeden, der sie als Legenden anerkennt. Das macht ihr Ableben so berührend. Es stirbt ein treuer Begleiter zum einen und ein gewisser Teil von einem selbst zum anderen.
Leonard Nimoy war nicht nur Mr. Spock. Als Regisseur inszenierte er nicht nur Teil 3 und 4 der Star-Trek-Kinoreihe, sondern auch Komödien wie 3 Männer und ein Baby. Ihm verdanken wir die Storys zu zweien der besten und beliebtesten Star-Trek-Filmen: Star Trek IV – Zurück in die Gegenwart und Star Trek VI – Das unentdeckte Land. Als Buchautor wehrte er sich zunächst mit Ich bin nicht Spock gegen seine Rolle, die ihn zeitlebens repräsentierte, später sah er in einem weiteren Buch ein: Ich bin Spock.
Wie wahr: Seine verhältnismäßig seltenen Auftritte außerhalb des Star-Trek-Universums blieben weithin ungesehen: Zu sehr war er mit seiner Figur Mr. Spock verschmolzen. Ein Fluch? Eher eine perfekte Symbiose mit einem fiktiven Charakter, der wie kein zweiter die Menschen beschäftigt hat: Mit der Frage, was es heißt, Mensch zu sein und damit mit der Frage nach sich selbst. Mr. Spock war in gewisser Hinsicht ein Außenseiter, weil er mit seinem weltbekannten Hang zur Logik nicht einfach das Gegenteil des Menschlichen repräsentierte – sondern auch den Wunsch, dem Menschlich-Emotionalen überlegen zu sein. Der Diskurs, ob reine Logik und das Überwinden von Gefühlen wie es den Vulkaniern auch das Überwinden von menschlichen Ansichten und Werten bedeutete, wurde jahrzehntelang geführt und wird es noch über seinen Tod hinaus.
Als 1982 die Figur des Mr. Spock in Star Trek II – Der Zorn des Khan am Ende starb, war dies nicht nur ein emotionaler Schock für die Fans, sondern auch der fiktiven Crew des Raumschiffs Enterprise. Eine Enterprise ohne Mr. Spock? Undenkbar. Aus dieser enormen Wichtigkeit bezog der Film denn auch seine Wucht.
Dass der dritte Kinofilm Auf der Suche nach Mr. Spock hieß und diesen letztlich wieder zurückbrachte, war eine Erlösung. Leonard Nimoy war Mr. Spock – und das war gut so, ist gut so und wird immer gut bleiben.
Deshalb wird er, so oder so, weiter leben. Live long and prosper, Leonard Nimoy.